Zusammenfassung
Der Einfluß auf die C-Vitamin-Ausscheidung im Harn ist meßbar. Nach kalten Bädern
(See- und Süßwasser) ergab sich meist eine vermehrte Ausscheidung des Vitamin C, nach
Warmbädern dagegen eine konstante Verminderung der Vitaminabgabe durch den Harn. Da
das Blut bei unseren VP. nicht untersucht werden konnte, lassen sich aus den genannten
Befunden noch keine ganz sicheren Schlüsse ziehen. Die Untersuchungen von Gabbe, der
nach heißen Bädern eine Vermehrung der Ascorbinsäure im Blute fand, ergänzen jedoch
unsere Untersuchungen in eindeutiger Weise.
Es muß mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Wirkung der genannten
Badereize auf den Vitamin C-Haushalt über das vegetative Nervensystem abläuft. Wir
dürfen das vor allem aus Analogie zu anderen bereits erwähnten biologischen Reaktionen
schließen. Denn am Mineralhaushalt, an der Glykämie, am respiratorischen Stoffwechsel,
am Blutdruck und Minutenvolumen des Herzens — um nur diese zu nennen — wurde mit Sicherheit
nachgewiesen, daß Kaltreize den Tonus des Sympathikus steigern, Heißreize ihn aber
herabsetzen unter Erhöhung des parasympathischen Tonus. Wir dürfen deshalb wahrscheinlich
annehmen, daß auch die Verminderung und die Steigerung der Vitamin C-Ausscheidung
im Harn durch Steigerung des parasympathischen bzw. des sympathischen Tonus reguliert
werden.
Wenn wir uns als Ärzte fragen, ob diesen Ergebnissen eine praktisch-therapeutische
Bedeutung zukommt, so wird man diese Frage für die Anwendung der Heißprozeduren vielleicht
verneinen können. Für lang dauernde und fortgesetzte sportliche oder berufliche Kaltbäder,
überhaupt für habituelle Kältereize in jeder Form, wäre aber wohl daran zu denken,
daß die vermehrte Ausscheidung des C-Vitamins bei jenen der Kälte exponierten Menschen
durch reichlichen Genuß des Vitamins in Gestalt der bekannten Nahrungsmittel oder
Präparate kompensiert werden müßte. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern,
daß die allerschwersten C-Avitaminosen in Gestalt seuchenhaften Skorbuts sich ganz
besonders dann einstellten, wenn der Vitaminmangel der Nahrung mit starken und dauernden
Kälteschäden zusammentraf; z. B. auf Polarexpeditionen, auf Segelschiffahrten und in sibirischen
Gefangenenlagern. Aber auch für „heimische” Verhältnisse hat man bereits früher Beobachtungen
gemacht, die dafür sprachen, daß der Vitamin C-Haushalt irgendwie auch von Sonne und
Wärme beeinflußt wird. Dies war beispielsweise scheinbar bei der von Tobler (10) geschilderten
Skorbutepidemie bei Wiener Kindern in Spitälern und Heimen im Kriegsjahre 1917 der
Fall. Tobler berichtet nämlich bemerkenswerterweise, daß er auf der Sonnenstation der Klinik davon abgesehen habe, eine besondere antiskorbutische Diät zu verordnen.
Aber nicht nur für die praktische Ernährungslehre, sondern auch für wissenschaftliche
Grundlagen des C-Vitamin-Haushaltes könnte seine von Gabbe und uns bewiesene Abhängigkeit
von Temperatur- und Klimafaktoren bedeutungsvoll sein. Ich denke dabei an die wahrscheinlich
grundlegende Rolle, die nach den Untersuchungen Wachholders und den neuerlichen Ausführungen
Rietschels (11) die im Organismus stattfindende Rückreduktion des C-Vitamins im Interesse
der Vitaminersparnis spielt. Es wäre wohl möglich und der Untersuchung wert, festzustellen,
ob und wie sich die genannten thermischen und Klimareize auf die Resynthese des Vitamins
auswirken.